Leseprobe „Im Bann des keltischen Tigers – Tíogaír hÉireann“

„Nachdem dieser Punkt geklärt ist, möchte ich Euch meine Gefährtin vorstellen. Sie wird heute ihren Eid ablegen“, begann Connor lächelnd, doch dann fiel sein Blick auf Angus.
„Das glaube ich nicht Connor, denn sie hat uns alle verraten“, unterbrach er, die kleine Ansprache.
Seine Stimme klang wie ein Peitschenhieb und Sophie starrte den alten Mann ungläubig an. Wie konnte er es wagen, eine solche Lüge hervorzubringen?
„Das ist nicht wahr“, rief sie, ohne weiter nachzudenken.
Sofort sahen die Männer sie wütend an, sie hatte hier wohl noch nichts zu sagen. Connor hob die Hand, um das Murmeln zu stoppen, das jetzt durch den Raum lief.
„Wie kommst du zu dieser Anklage Angus?“, fragte er hart.
Wieder lächelte der Alte hämisch, dann stand er von seinem Platz auf, damit ihn auch alle hören konnten.
„Du hast deinen Eid gebrochen und sie nicht an deiner Seite gehalten, dabei hat sie die Gelegenheit genutzt und ihrer Freundin von uns erzählt“, behauptete er bösartig.
Am liebsten hätte Sophie sich noch einmal eingemischt, aber auf einen Blick von Connor blieb sie still.
„Das ist eine schwere Anschuldigung Angus und ich kann dir und allen anderen versichern, dass sie niemals über unser Geheimnis gesprochen hat. Ebenso war sie immer in meiner Sichtweite und somit an meiner Seite“, übertönte Connor das Gemurmel.
„Es ist klar, dass du das so sagst, keiner, der bei Sinnen ist, würde zugeben, dass er versagt hat. Ich beantrage, dass sie in Gewahrsam genommen wird und für diese Verhandlung soll ein Gremium eingerichtet werden“, verlangte Angus.
Es war sein gutes Recht und so wie er grinste, hatte er noch einen Trumpf im Ärmel. Aber so leicht gab Connor sich nicht geschlagen. Er vermied es in Sophies erschrockenes Gesicht zu sehen, zumal er riechen konnte, wie die Angst sie fest im Griff hatte. Vorsichtig legte er eine Hand auf ihre Schulter und drückte sie beruhigend.
„Damit würdest du mich und sie zum Tode verurteilen, denn sobald sie in Gewahrsam genommen wird, kann ich nicht mehr an ihrer Seite sein“, gab Connor zu bedenken.
Einen Augenblick sah der Alte ihn lauernd an. Man konnte sehen, wie er abwägte, was in den Köpfen der anderen vor sich ging. Endlich nickte er leicht.
„Dann soll sie ihren Eid ablegen, auch wenn er ihr nicht mehr lange nutzen wird. Oder willst du sie begleiten, wenn wir sie einsperren?“, fragte Angus höhnisch.
Obwohl Connor spürte, wie sehr Sophie unter seiner Hand zitterte, sah er sie nicht an. Es war zu wichtig, Angus im Auge zu behalten, aber seine Hand lag immer noch schwer auf ihrer Schulter.
„Wohin willst du sie bringen?“, wolle Kieran jetzt herausfordernd wissen.
Mit Abscheu im Gesicht sah Angus ihn an und einen Moment lang hatte man den Eindruck, als ob der Alte ihn anspucken wollte.
„Sie kommt in den Kerker von Portumna Castle, bis das Verfahren eröffnet werden kann“, bestimmte er.
Ein paar der Männer schüttelten unwillig den Kopf, einige nickten und andere äußerten offen ihren Unmut.
„Auf keinen Fall wird sie in das feuchte, alte Gemäuer gesperrt“, knurrte Connor und sofort herrschte Stille.
„Sie ist unschuldig, bis ihre Schuld bewiesen wurde, das haben wir immer so gehalten und werden es jetzt nicht ändern“, erinnerte er die Versammlung hart.
„Ich werde sie in Gewahrsam nehmen. Sie kann bei mir in Terryglass bleiben, bis ein Gericht gebildet wurde“, bot ein älterer Mann mit blonden, halblangen Haaren an.
Ängstlich blickte Sophie von diesem Mann zu Connor, sie wollte bei keinem Fremden bleiben, aber ihr Gefährte nickte schon.
„Danke Andrew, so kann ich sicher sein, dass ihr kein Schaden zugefügt wird“, stimmte er zu.
„Dann soll sie jetzt den Eid ablegen“, verlangte Angus hämisch und sah sie kalt an.
Wieder stimmte er zu und zum ersten Mal seit dieser fürchterlichen Anklage blickte er ihr in die Augen.
„Bereit Kätzchen?“, fragte er leise.
Langsam nickte sie, was hätte sie auch sonst tun können? Wenn sie den Eid nicht ablegte, würden sie Connor töten, sobald sie bei diesem Andrew war.
Unsicher stand sie auf und blickte in die Runde. Verwundert sah sie, dass es nur einige wenige gab, die sie unfreundlich oder gar feindlich ansahen. Die meisten lächelten ihr aufmunternd zu und so hob sie den Kopf etwas höher.
„Ich schwöre, dass ich aus freiem Willen die Gefährtin von Connor MacFlann bin und ich schwöre, dass ich das Geheimnis wahren werde“, sagte sie fest.
Connor sah sie liebevoll an und nickte ihr leicht zu. Im Moment war er nicht ihr Gefährte, ihr Tiger, sondern der mächtige Herrscher über die Gestaltwandler. Die Distanz und Macht, die er ausstrahlte, verunsicherten sie ein wenig, aber dann sah sie das Glitzern in seinen Augen und sie lächelte ihn an.
Die Menge um sie herum klatschte und riefen Glückwünsche herüber, doch Angus stoppte sie.
„Damit bist du frei von deinem Versprechen Connor und Andrew kann sie mitnehmen“, bestimmte er bösartig und freute sich, als Sophie erschrocken zusammenzuckte.
Andrew erhob sich und ging auf sie zu, während Connor leise knurrte. Höflich hielt er ihr die Hand hin und lächelte sie an.
„Es ist mir eine Ehre, die Gefährtin unseres Anführers beherbergen zu können“, sagte er galant.
Erfreut akzeptierte Sophie seine Hand und sah ihren Tiger noch einmal fragend an, doch ehe er antworten konnte, sprach Andrew ihn an.
„Ich möchte dich auch einladen eine Weile bei uns zu bleiben, wenigstens, bis dieses leidige Thema vom Tisch ist und du deine Gefährtin mit nach Hause nehmen kannst“, lud er ihn lächelnd ein.
Aus den Augenwinkeln sah Sophie, wie es in Angus kochte, allerdings hatte er keine Möglichkeit einzugreifen. Lieber hätte er sie in irgendeinem feuchten Kellerloch dahinrotten sehen, aber so würde sie sehr angenehm in Terryglass leben können.
„Vielen Dank Andrew, diese Einladung nehme ich gerne an“, erwiderte Connor und grinste breit.
Zusammen mit Patrick, Kieran und den beiden Begleitern von Andrew verließen sie die Klosteranlage, nachdem Angus widerwillig aufgeschlossen hatte. Alles andere war vertagt worden.
Wütend sah der Alte ihnen nach, eigentlich hatte er vorgehabt, die Verhandlung so lange wie möglich herauszuzögern. In dieser Zeit wollte er Connor auf seine Seite ziehen oder beseitigen. So musste er eben umdisponieren, jetzt fand die Verhandlung so schnell wie möglich statt, damit er die beiden los wurde.
Connor konnte den stechenden Blick von Angus in seinem Rücken spüren, aber er drehte sich nicht um, sondern ging mit seinen Begleitern einfach weiter.
Am Anleger küsste er Sophie leicht und nickte ihr zu, als Andrew ihr auf sein Boot half. Bittend sah sie ihn wieder an.
„Keine Angst Kätzchen, ich kenne Andrew und er wird auf dich aufpassen. Ich werde direkt hinter euch fahren, leider kann ich dich nicht auf meinem Boot mitnehmen. Angus würde sofort verlangen, dass du in seine Obhut überstellt wirst“, erklärte er sanft.
Verstehend nickte sie, aber dann schlang sie ihre Arme um ihren Oberkörper, so sehr sie um ihre Freiheit gekämpft hatte, so sehr fehlte ihr jetzt die Nähe von Connor.
„Mach dir keine Sorgen, Angus wird nicht gewinnen und wir stehen auf eurer Seite“, sagte Andrew plötzlich neben ihr.

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